Spaziergang nach Syrakus

Day 24. All hail to thee, Thane of Glamis

Unter Blitz und Donner und anderen Widrigkeiten

Hirzer Hütte - Meraner Hütte

Steps 33168

Km 18,3

Meilenstein: Meran markiert das Ende der Alpen. Steps gesamt 591718. Km 356

Man stelle sich vor, jemand balanciert in einer beliebigen Altstadt im vierten Stock eines Gründerzeithauses auf einem schmalen Sims und krallt sich dabei mit den Händen an kleinen Mauervorsprüngen fest. Natürlich rufen die Anwohner die Polizei oder die Feuerwehr, die Person wird wahrscheinlich verhaftet und einem Psychiater vorgeführt.

Das gleiche heißt auf dem 2698 Meter hohen Hirzer aber nicht "Wahnsinn", sondern "Europäischer Fernwanderweg Nummer 5". Zum Glück ist Benno, der geübte Bergwanderer, gerade zur Stelle und leistet mir moralische Unterstützung beim zentimeterweisen Vorwärtsgehen, indem er in meiner Nähe bleibt und mit mir spricht. Danke noch ein Mal, Benno!

Abends auf der Meraner Hütte erklärt er mir, was ein "ausgesetzter" Weg ist: Stürzt man beim Aufstieg, so fällt man höchstens ein paar Meter tief, weil es immer einen Felsvorsprung gibt, der einen auffängt. Das ist nicht "ausgesetzt", wohl aber der Abstieg, wo es nichts gibt, was einen hält, da ist man seinem Schicksal vollkommen ausgesetzt, wenn man es an Trittsicherheit fehlen lässt und stürzt.

Dass es später noch viele Kilometer an einem hohen "ausgesetzten" Grat entlanggeht, dass es blitzt, donnert und hagelt, das spielt nach dem Abenteuer an der Oberen Scharte schon fast keine Rolle mehr. Fußkrank und erschöpft erreiche ich nach acht Stunden die Meraner Hütte, wo ich ein Dreibettzimmer für mich allein bekomme (mit Handtuch und Waschbecken, welch ein Luxus!) und ein Viergängemenü, Rigatoni, Salat, Schweinefleisch mit Pfifferlingen, Eis...

Imagine somebody balancing on a small ledge at a building on the, let's say, fourth floor, holding himself on small protrusions of the wall. Wouldn't you call the police and the firefighters to arrest that person and present him to a psychiatrist?

Up in the Alps, in an altitude of around 8000 feet, the same thing is not called "madness" but "European Long Range Hiking Trail #5". Fortunately, Benno, the skilled mountain hiker happens to be around and provides moral support by staying close by and talking to me while I'm advancing inch by inch. Thanks again, Benno!

In the evening in the cabin he'll explain to me what an "exhibited" path is: If you fall and there is a platform you crash at after some meters, that's not "exhibited", but with the path we're going down, there was nothing to catch us. Once you let go you are completely "exhibited" to your faith.

That I had to walk many kilometers along another "exhibited" trail didn't matter much after this first adventure. Nor did the thunder and a hailstorm to come. With tired feet and wiped out I reach the Meraner Cabin after eight hours, I get a three bed room for myself (with towel and a sink of my own, pure luxury!) and a wonderful four course menu for dinner: rigatoni, salad, pork with chanterelles and ice cream...